Klimawandel und Starkregen im Oberland
Seit einiger Zeit wird ein verstärktes Auftreten von Starkregenereignissen und damit verbundenen Überflutungen im Oberland beobachtet. Wie hängt dieses Phänomen mit dem Klimawandel zusammen und kann es anhand der vorliegenden Daten belegt werden?
Zunächst eine physikalische Tatsache: wärmere Luft kann mehr gasförmigen Wasserdampf halten als kältere Luft. Als Faustformel kann man abschätzen, dass Luft mit jedem Grad Celsius Erwärmung bei gleicher relativer Luftfeuchtigkeit ca. 7 % mehr Wasserdampf halten kann. D.h., dass bei der Schauer- und Gewitterbildung auch mehr Wolken- und Wassertröpfchen gebildet werden können, die dann für Niederschlag in Form von Regen, Schnee oder Hagel zur Verfügung stehen.
Noch eine physikalische Tatsache: wenn der gasförmige Wasserdampf in der Luft zu Wolken- und Wassertröpfchen kondensiert, wird Wärme frei. Diese Wärmemenge ist beachtlich. Man stelle sich nur vor, wieviel Energie man braucht, um einen Liter Wasser auf dem Herd zum Kochen zu bringen und vollständig zu verdampfen. Wenn diese Dampfmenge dann in den Wolken wieder zu Tröpfchen wird, wird genau diese Wärmemenge wieder frei. Diese freiwerdende Wärmemenge treibt die Bildung der hoch aufschießenden Schauer- und Gewitterwolken zusätzlich an.
Schauen wir jetzt einmal auf die Temperaturentwicklung im Oberland anhand der Daten von der Wetterstation auf dem Hohenpeißenberg.
Abb. 1 zeigt, dass die Monatsmitteltemperaturen im Oberland im 30-Jahresvergleich um ein bis zwei Grad Celsius zugenommen haben. Besonders ausgeprägt ist diese Zunahme im Frühjahr und Sommer mit fast 2°C, während im Herbst nahezu keine Erwärmung zu erkennen ist. Die Kurve für 2020 liegt nochmals über dem 30jährigen Mittel von 1991 bis 2020.
Abb. 2 zeigt, dass die Monatsmittelniederschläge im Oberland im 30-Jahresvergleich nahezu unverändert geblieben sind, im Frühjahr und Sommer sogar tendenziell ganz leicht abgenommen haben. Auch die Kurve für 2020 zeigt keine Zunahme über das ganze Jahr hinweg, aber natürlich größere Schwankungen als die Kurven für die 30jährigen Mittel. Hieraus lässt sich noch keine Zunahme der Starkniederschlagsereignisse belegen.
Dazu müssen wir detaillierter in die Häufigkeit von Tagen mit keinem, geringem oder mit stärkeren Niederschlägen hineinschauen.
Abb. 3 zeigt die Zahl der Tage pro Jahr mit verschiedenen Niederschlagsintensitäten. An den vier betrachteten Wetterstationen hat die Zahl der trockenen Tage zugenommen. D.h., der Niederschlag verteilt sich auf weniger Tage. Zusätzlich hat auch die Zahl der Tage mit geringem Niederschlag deutlich abgenommen. Dagegen sehen wir Zunahmen bei den vier Kategorien 3-6 mit den stärkeren Niederschlagssummen pro Tag. Es ist hier, wo die Zunahme von Starkniederschlagsereignissen in den Daten sichtbar wird. Allerdings ist es keine drastische Zunahme, die hier dokumentiert wird. Sie passt aber in ihrer Tendenz gut zu den am Anfang genannten physikalischen Tatsachen.
D.h., auch die zunehmende Versiegelung der Städte und Dörfer und die höhere Konzentration von privaten und volkswirtschaftlichen Werten im Oberland trägt zu den vermehrt auftretenden Schadensereignissen durch Starkregen bei. Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Starkregenrisiko sowohl durch eine leicht ansteigende Ereignishäufigkeit als auch durch einen kontinuierlichen Anstieg der Exposition von verletzlichen Gütern im Oberland ansteigt. Es ist abzusehen, dass dieses Risiko in Zukunft weiter zunehmen wird, da sowohl die Temperatur durch den Klimawandel weiter ansteigen wird als auch die Exposition von privaten und volkswirtschaftlichen Gütern in der Region auf Grund des erwarteten anhaltenden Siedlungsdrucks aus dem Großraum München zunehmen wird. Das Vorhaben KARE wird diesen Anstieg weiter analysieren und an notwendigen Informations- und Beratungstools arbeiten, die Privatleute, Kommunen und Wirtschaft für den besseren Umgang mit diesem steigenden Risiko benötigen.
Stefan Emeis, KIT, 29. Juni 2021